Haushaltsrede 2013

Manfred Jost, Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrter Herr Direktor Gillo,
meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Zu den Rahmendaten des diesjährigen Haushaltes ist jetzt schon vieles gesagt, ich werde Ihnen dazu als Letzter auf der Rednerliste wenig Neues erzählen können. Natürlich begrüßen auch wir Grüne es, dass die Ausgaben im Haushalt 2012 wiederum niedriger angesetzt sind als im Vorjahr und es ist gut für unsere geplagten Kommunen, dass die Umlage das zweite Mal in Folge gesenkt werden kann – um 6,3 Millionen. Die Umlagebelastung der Kommunen kann nicht zuletzt deshalb gesenkt werden, weil es vom Bund aus wiederum Entlastungen bei den Ausgaben für die Grundsicherung gibt – und höhere Schlüsselzuweisungen durch das Land. Wir haben dies heute schon mehrfach gehört (aber die CDU würde es sicher monieren, wenn ich das vergessen würde zu erwähnen ). Einen Anteil haben auch die dank guter Konjunktur wieder gestiegenen Steuereinnahmen. Und es wäre unfair zu verschweigen, dass auch der Regionalverband beachtliche und schmerzhafte Anstrengungen zum Sparen unternommen hat (und hier wäre mir der Regionalverbandsdirektor böse, wenn ich es zu erwähnen vergäße ). Dass aber in den kommenden Jahren weitere Belastungen auf uns und die Kommunen zukommen, wurde ebenfalls in den Beiträgen meiner Vorredner schon deutlich. Ich nenne hier nur die Stichworte Jugendhilfe, steigende Ausgaben im Sozialamt, für die Pflege und nicht zuletzt die stagnierende Langzeitarbeitslosigkeit, deren Kosten uns in Zukunft über den Kopf zu wachsen drohen. Ich denke an die Kosten der Unterkunft und Arbeitsförderungsmaßnahmen, bei denen sich der Bund aus der Verantwortung stiehlt. Wir haben hier in dieser Sitzung eine Resolution eingebracht, in der eben dies scharf kritisiert wird.
Mit Sorge sehen wir auch dem Monat August entgegen. Ab diesem Zeitpunkt besteht der Betreuungsanspruch in KiTas. Schon heute ist erkennbar, dass noch nicht einmal die einmal gesetzte 30 Prozent Quote erfüllt wird – eine kostspielige Klagewelle droht. Ein Dauerbrenner ist trotz der aktuellen Umlagesenkung das Verhältnis der Kommunen zum Regionalverband. Das wird deutlich in der Resolution der Bürgermeister, zu der wir an dieser Stelle eine angemessene Antwort suchen. Fast hat es den Anschein, als wäre die Ursache für alle Misere der Kommunen im Regionalverband zu finden. Lassen Sie mich vorwegnehmen: Ich sehe den Regionalverband in erster Linie als Teil einer Lösung für politische Probleme, und nicht als Problem selbst. Auch ich sehe aber die dringende Notwendigkeit für Verbesserungen – dazu später. Tatsache ist, dass die Kommunen unter der Last der Umlage stöhnen. Sie haben ihre liebe Mühe haben, die Anforderungen der Schuldenbremse zu erfüllen. Dass sie vergleichbare Einsparanstrengungen auch vom Regionalverband verlangen, ist verständlich – und legitim. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013, wonach die Kreisumlage die Kommunen nicht über Gebühr belasten darf, hat auch im Saarland zu Diskussionen geführt. So wurde von kommunaler Seite beklagt, dass eigene Sparanstrengungen durch eine Erhöhung der Kreisumlage konterkariert würden. Nun sind die Voraussetzungen des Urteils bei uns im Saarland nicht gegeben – zum Glück. Auch ohnedies sind aber die Gemeindeverbände nach dem saarländischen Kommunalselbstverwaltungsgesetz verpflichtet, „bei ihrer Aufgabenerfüllung die gebotene Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der gemeindeverbandsangehörigen Gemeinden zu nehmen“ und daher „ähnliche Sanierungs¬anstrengungen (zu) unternehmen wie die umlagepflichtigen Gemeinden“ (Zitat aus einem Schreiben der Innenministerin). Im Regionalverband stößt dieses „Rücksichtnahmegebot“ an Grenzen. Die Grenzen sind teils natürliche, teils politisch gesetzte (ich darf aus der letztjährigen Rede meiner Kollegin Gertrud Schmidt zitieren): „Worüber wir uns aber auch klar sind, ist die Tatsache, dass der Gestaltungsspielraum angesichts der Haushaltslage für den Regionalverband mit all seinen Pflichtaufgaben sehr eng ist. Aber wir sind nach Prüfung des Haushaltsentwurfs zu der Ansicht gelangt, dass es der im Schloss regierenden Großen Koalition bisher nicht gelungen ist, in den verbliebenen Bereichen Akzente zu setzen. Vielmehr kommen uns manche Dinge, die passieren, stark dem Proporz geschuldet und damit halbherzig vor. Dass ein solches Vorgehen kennzeichnend für Große Koalitionen ist, gehört zum Allgemeinwissen“ (Zitat Ende). Darauf wird zurückzukommen sein – nach einem unvermeidlichen, aber lohnenden Exkurs zum so genannten Hesse-Gutachten.
Hesse-Gutachten:
Die jüngsten Gutachten zu den kommunalen Finanzbeziehungen  – zusammengefasst als „Hesse II“ – haben weder die Erwartungen der Landeshauptstadt noch die der übrigen Kommunen im Regionalverband erfüllt. Wenn die Landeshauptstadt insgeheim gehofft hatte, die Gutachter würden dem Regionalverband eine überhöhte Umlage und ineffiziente Leistungserstellung zuschreiben, so wurde diese Hoffnung enttäuscht. Stattdessen heißt es in dem Gutachten: „Insgesamt ist eine zu teure Aufgabenerfüllung etwa durch zu hohe Qualitätsstandards, ineffiziente Aufgabenerfüllung oder einen zu hohen Personalbestand (…) nicht festzustellen“ (NIW-Gutachten S. 96). Auch Doppelstrukturen in nennenswertem Umfang konnten nicht ausgemacht werden: „Insgesamt zeigt der Vergleich der Haushalte des Regionalverbands und der Landeshauptstadt, dass die Arbeitsteilung sehr ausgeprägt ist“ (NIW-Gutachten S. 81). Ausnahme bilden aber die Jugendsozialarbeit und die Wirtschaftsförderung (NIW-Gutachten S. 99), und mir fallen noch weitere ein – dazu gleich. Auch das neue Gutachten von Professor Hesse plädiert letztlich für einen „Stadtkreis“ als Organisationsform. Neu ist ein Zwischenschritt mit Fusion von Kommunen zu so genannten Mittelstädten. Wir halten diesen Vorschlag (den Hesse selbst schon einmal verworfen hatte) für erstaunlich schlecht begründet. Entsprechend ablehnend fiel die Reaktion der Betroffenen aus. Ein Spötter aus unseren Reihen meinte entsprechend: Hesse II enthält viel Gutes und Neues – nur das Gute ist nicht neu und das Neue ist nicht gut. Damit wäre dem Gutachten im Ganzen aber Unrecht getan. Es ist nicht bloß ein weiteres der vielen teuren Gutachten, für die die Stadt Saarbrücken anscheinend ein Faible hat. Wir Bündnisgrünen in der Regionalversammlung – und auch unsere Freunde im Saarbrücker Stadtrat – begrüßen das Gutachten von Professor Hesse insgesamt als ernst zu nehmende Arbeitsgrundlage, um Stadt und Land einen guten Weg in die Zukunft zu ebnen. Es zeigt überlegenswerte Aspekte auf, wie der Großraum Saarbrücken nachhaltig und zukunftsfähig entwickelt werden kann. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass die Zukunft des Saarlandes angesichts der hohen Verschuldung auf dem Spiel steht. Allein schon die Umsetzung der Schuldenbremse zwingt zum Umdenken und Handeln. Es gilt auch in Zeiten knapper Kassen eine leistungsfähige und bürgerfreundliche Verwaltung zu erhalten. In diesem Zusammenhang weist Hesse zu Recht auf zurzeit bestehende Doppelstrukturen hin. So existieren beispielsweise im Regionalverbandsgebiet drei verschiedene Bauverwaltungen und drei Waffenbehörden.Auch dem Vorschlag, Regionalverband und Landeshauptstadt mittelfristig zu verschmelzen, verschließen wir uns nicht. Wir müssen angesichts von demographischem Wandel, Finanznot und den Herausforderungen von Klimawandel und Energiewende zukunftsfähige Strukturen für die regionale Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge entwickeln. Kirchturmdenken führt dabei unter Garantie in die Irre. Den Gutachtern ist auch in dem Punkt zuzustimmen, dass die zentralörtliche Funktion des Raums Saarbrücken im gegenwärtigen Finanzausgleich nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Wir Bündnisgrünen haben bereits – als Antwort auf das erste Hesse-Gutachten  – 2006 ein eigenes Modell vorgestellt: Wir plädieren für die Weiterentwicklung von Regionalverband, Landeshauptstadt und Umlandkommunen zu einer dezentralen „Regionalstadt Saarbrücken“, in der die Zuständigkeiten stärker als bisher den Grundsätzen der Subsidiarität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung entsprechen. Tragender Gedanke dabei war, dass es keine Verwaltung ohne demokratische Kontrolle durch die Verwalteten geben darf. Alles andere liefe der Verfassung zuwider. In vielen Bereichen können Bürgerinnen und Bürger von einer verbesserten innerregionalen Arbeitsteilung und Spezialisierung profitieren – bei öffentlichen Einrichtungen im sozialen Bereich, bei Sport und Kultur. Gerade bei nachhaltigen Energiekonzepten und der Wirtschaftsförderung sehen wir Potential für eine gemeinsame Strategie. Nicht in jeder Kommune muss der gesamte Apparat an Ämtern vorgehalten werden. Die erneut aufgeflammte Diskussion um Bäderschließungen zeigt nach Ansicht der bündnisgrünen Fraktion in der Regionalversammlung die Notwendigkeit von Strukturreformen. Die künftige Bäderlandschaft im Regionalverband sollte sich ihrer Ansicht nach am Bedarf orientieren – und nicht am Sankt-Florians-Prinzip. Der Bäderlandschaft im Regionalverband drohen drastische, willkürliche Einschnitte. Eine Reihe von kommunalen Schwimmbädern ist bereits geschlossen worden, weitere sollen folgen. Der Betrieb der verbleibenden bringt die betreffenden Kommunen an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit – und darüber hinaus. Künftige Schließungen drohen nach Kriterien zu erfolgen, die  eher zufällig mit einem bedarfsgerechten und bürgerfreundlichen Angebot vereinbar sind. Sie drohen dort, wo die nächsten größeren Schäden auftreten – sei es zufällig oder weil man in der Vergangenheit zu investieren versäumt hat. Hier zeigt sich exemplarisch die Notwendigkeit einer die Kommunen übergreifenden, bedarfsgerechten Planung.
Klimaschutz:
Immerhin hat sich im Regionalverband etwas getan, das von uns Grünen seit Jahren gefordert wird: Das Klimaschutzkonzept ist endlich auf den Weg gebracht. Sicherlich ein Verdienst des Leiters des Fachdienstes Regionalverband, Dr. Sven Urhan, dem ich hierzu meinen persönlichen Dank aussprechen will. Wenn auch der von uns geforderte Klimaschutzmanager noch nicht da ist (und auch heute wird er wohl nicht bewilligt werden), sind wir guter Dinge, dass diese wichtige Position in Kürze besetzt sein wird. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kosten dieses Mitarbeiters aus Ersparnissen mehr als gedeckt werden, sicherlich auch keine unzumutbare Last für den Personalhaushalt des Regionalverbandes. Der Beschwerde einer regionalverbandszugehörigen Großstadt bei der Kommunalaufsicht gegen das Klimaschutzkonzept des Regionalverbandes sahen wir Grüne mit der gebührenden Gelassenheit entgegen – wie sich jetzt herausstellt wohl zu Recht. Es zeigt sich an diesem Beispiel aber, dass die Nerven blank liegen – und dass Missgunst ein schlechter Ratgeber ist.
Windkraft:
Unsere anfängliche Sorge, dass die vielen Ausschlusskriterien bei der Windenergieplanung letztendlich zu einer Verhinderungsplanung führen, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Hilfreich hierbei war, dass das Land – wie von uns Grünen gefordert – nun endlich das Verbot von Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten aufgehoben hat. Bei der Frage, wo in den betreffenden Gebieten Windkraftanlagen stehen werden, soll eine Landschaftsbildanalyse der TU Dortmund Hilfestellung geben. In welcher Form das erfolgt, ist den meisten Teilnehmern der Internet-Befragung – ehrlich gesagt – verborgen geblieben. Aber die Wissenschaft Sicherlich werden wir diesen Prozess kritisch aber konstruktiv begleiten.
Schulentwicklung:
Der Regionalverband ist ja bekanntlich der größte Schulträger im südwestdeutschen Raum. Mit Hilfe des Konjunkturpaketes ist es sicherlich gelungen, einiges am Zustand der Schulgebäude ins Positive zu verändern. Nichts desto weniger gilt es jetzt, akzeptable Rahmenbedingungen für einen ordentlichen Schulbetrieb zu schaffen. Bildung ist, ich glaube, da sind wir uns einig, Bildung ist das wichtigste Kapital für junge Menschen, und gute Bildung braucht gute Schulen mit echter Ganztagsbetreuung und dem Gedanken der Inklusion verpflichtet. Jetzt gilt es, dass der Regionalverband und seine Kommunen Konzepte entwickeln, die demographiefest sind
•    einen effizienten Einsatz öffentlicher Mittel erlauben,
•    faire Bildungschancen für alle Kinder bieten
•    und das auch noch in der Fläche.
Das hört sich verdächtig nach der Quadratur des Kreises an. Mit etwas Phantasie ist es aber zu schaffen, indem beispielsweise Standorte unter einem gemeinsamen Dach zusammengelegt werden, indem Ganztagsklassen als Einstieg in die Ganztagsschule geschaffen werden.
Gerade hier – im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau der Ganztagsbetreuung an saarländischen Schulen – sind Konflikte und gegensätzliche Auffassungen über die rechtlichen Grundlagen zwischen den Verantwortlichen deutlich geworden. Dabei ist nach wie vor davon auszugehen, dass das Land wie die Schulträger ein gemeinsames Interesse daran haben, den Ausbau von Ganztagsschulen voranzubringen. Die durch den offen ausgetragenen Konflikt entstandene Unsicherheit über die Einrichtung und Weiterführung von Ganztagsklassen hat gerade jetzt – zu Beginn der Schulanmeldungen – fatale Auswirkungen auf die Bildungslandschaft. Wir fordern den Bildungsminister auf, unverzüglich in einen offenen Dialog mit den Schulträgern einzutreten und die Bedingungen zu klären, unter denen die Schulträger das Angebot an Ganztagsunterricht verlässlich konzipieren und finanzieren können. Ich teile namentlich die Einschätzung des Regionalverbandsdirektors, dass die neue Ganztagsschulverordnung hinsichtlich eines weiteren Ausbaus der Ganztagsschulen im Saarland „geradezu prohibitiv“ wirkt. Es gilt zu verhindern, dass der Ausbau von Ganztagsangeboten wegen solcher nicht akzeptabler Vorgaben ins Stocken gerät. Wie fatal sich formelhafte Spardiktate auswirken, zeigt sich beim Investitionsetat unseres „Gebäude- und Betriebsmanagement Schulen“. Wir halten die Auflagen der Kommunalaufsicht, wonach auch die Investitionen in Schulen formelmäßig zu kürzen sind, für unangemessen. Damit wird ein bürokratisches Schema auf Bereiche übertragen, in denen Einsparbemühungen langfristig betrachtet ins Gegenteil umschlagen. Mit Sorge sehen wir gerade, dass die Einschnitte den behindertengerechten Ausbau betreffen – wie im Falle der Gemeinschaftsschule Heusweiler. Das läuft den Anstrengungen in Richtung einer echten Inklusion Behinderter zuwider. Auch eine angedachte Verschiebung um ein Jahr sehen wir daher als falsches politisches Signal. Für genauso verfehlt halten wir Sparanstrengungen in diesem wichtigen Bereich, bei denen willkürlich und ohne erkennbaren Sachverstand „kW-Vermerke“ in sensiblen Bereichen gesetzt werden. Die politischen Verhältnisse der Regionalversammlung haben uns bei unserer Forderung nach besserer Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil Burbach durch die Einrichtung eines Kinderhauses ausgebremst.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Für die, die’s nicht bemerkt haben: Dies war keine keine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede, aber der Appell, die Herausforderungen ernst zu nehmen und endlich fällige Strukturreformen einzuleiten. Bei alldem gilt mein ceterum censeo: Grundlage aller Veränderungen muss eine umfassende Beteiligung der BürgerInnen sein – von Anfang an. Alle gesellschaftlich, politisch und ökonomisch Verantwortlichen sind aufgerufen, diesen Reformprozess kritisch und konstruktiv zu begleiten. Jetzt gilt es, eine moderne, bürgernahe und effiziente Verwaltungsstruktur für die Region zu finden, die die Eigenständigkeit des Landes auch in Zukunft erhält.